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Marc Girardelli über Marcel Hirscher und den Nationenwechsel: "Er könnte sogar eine neue Ära einleiten"

Skilegende Marc Girardelli, der alle Erfolge für Luxemburg einfuhr, über das Comeback und den Nationenwechsel von Marcel Hirscher sowie seine Zeit als "Vaterlandsverräter". Und: Welche rot-weiß-roten Skistars noch die Nation gewechselt haben.

Holten zusammen 13 Gesamtweltcupsiege: Marcel Hirscher und Marc Girardelli.
Holten zusammen 13 Gesamtweltcupsiege: Marcel Hirscher und Marc Girardelli.

Marc Girardelli, gebürtiger Vorarlberger, gehört mit unter anderem fünf Gesamtweltcupsiegen zu den erfolgreichsten Skirennfahrern aller Zeiten. Erst Marcel Hirscher mit acht Kristallkugeln löste den nun 60-Jährigen an der Spitze der Bestenliste ab. Schon als Zwölfjähriger verließ Girardelli den ÖSV Richtung Luxemburg, weil sein Vater zu wenig Unterstützung und Freiheiten vom Verband kritisierte. Wenngleich Hirschers Nationenwechsel ganz anders motiviert ist, erklärt die Skilegende im SN-Interview, warum Hirschers Comeback als Niederländer nicht nur erfolgreich sein wird, sondern Privatteams die Zukunft im Skisport sein könnten.

Hat Sie der Nationenwechsel Ihre gesamte Karriere begleitet? Marc Girardelli: Natürlich bin ich immer wieder darauf angesprochen worden. Das Thema wurde zu Beginn meiner Karriere am intensivsten diskutiert, es war aber immer präsent. Wenn ich gut war, war ich der Österreicher, der für Luxemburg fährt, und wenn ich schlecht war, war ich nur der Luxemburger.

Was haben Sie positiv und negativ in Erinnerung? Natürlich wurde ich ein paar Mal als Vaterlandsverräter hingestellt. Insgesamt überwiegen für mich persönlich aber ganz klar die positiven Erinnerungen.

Mit dem Satz "Skirennen sind persönliche und keine nationalen Anliegen" haben Sie damals für Aufsehen gesorgt. Da hat sich meine Meinung auch nicht geändert. Ich bin immer für mich und sonst niemanden gefahren. Es ist ein Individualsport, auch wenn man mehr als Mannschaft auftritt, je größer die Nation ist.

Gilt das auch für die WM im Februar 2025 in Saalbach, wenn Marcel Hirscher im orangen Rennanzug gegen Manuel Feller um Gold fährt? Das ist jetzt noch schwer zu beurteilen. Man muss sehen, wie die Fans drauf reagieren.

Marc Girardelli
Marc Girardelli

Die Mehrheit hat in ersten Umfragen seinen Nationenwechsel nicht gutgeheißen. Wenn die Mehrheit sagt, er soll es nicht machen, dann hat er die richtige Entscheidung getroffen (lacht). Ich glaube, dass er die Fans, die er hatte, auch weiter haben wird, weil es seine Fans und nicht in erster Linie Österreich-Fans sind. Ich glaube nicht, dass sie auf die Barrikaden steigen werden.

Der Nationenwechsel kann also nichts an seinem Legendenstatus ändern? Marcel wird durch seinen Sponsor (Red Bull, Anm.) in einem Privatteam antreten und ich denke, dass sich da etwa mit Lucas Braathen oder anderen Athleten seiner Skimarke (Van Deer) ein Team bilden kann. Es kann sogar sein, dass Marcel damit eine neue Ära einleitet.

Inwiefern? Dass ähnlich wie in der Formel 1 nicht die Nation an erster Stelle steht, sondern eben das Team, das über die Nation hinausgeht. Das wäre ein Versuch, den Skisport nach vorn zu bringen.

Was trauen Sie ihm zu? Dass er sehr schnell wieder in die Top 15 aufrückt. Wenn es gut läuft, kann er im Jänner wieder vorn dabei sein. Ich habe Videos von ihm gesehen, die mich in dieser Annahme bestärken. Ob es wieder für Siege reicht, ist eine andere Frage. Nach fünf Jahren ohne Rennsport wird das schon eine sehr große Herausforderung. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, wenngleich Marcel natürlich von größeren Verletzungen verschont geblieben ist. Er ist eine absolute Ausnahme. Es hat nur sehr wenige gegeben, die über einen so langen Zeitraum an der Spitze waren. Daher ist ihm alles zuzutrauen.

Dass seine Rückkehr die beste Werbung für den Skisport allgemein ist, darüber gibt es wohl keine zwei Meinungen. Es ist das Allerallerbeste, was dem Skiweltcup passieren kann. Das hat der Skisport nach zuletzt zähen Jahren gebraucht. Es wird eine unglaubliche Werbung.

Wer noch die Nation wechselte:

Elfi Eder, Slalom-Gesamtsiegerin sowie Olympia- und WM-Medaillengewinnerin, fuhr in ihrer letzten Saison 1998 - erfolglos - für Grenada.

Claudia Riegler holte zwischen 1995 und 2002 für Neuseeland, Heimatland ihrer Mutter, vier Weltcupsiege.

Josef Strobl gewann sieben Weltcuprennen. Sein Wechsel zu Slowenien 2004 endete mit einer schweren Verletzung.

Kilian Albrecht fuhr zwei Podestplätze ein, ab 2006 - ohne großen Erfolg - für Bulgarien.

Romed Baumann ist der erste Skirennfahrer, der für zwei Nationen WM-Medaillen holte: 2011 und 2013 für Österreich, 2021 für Deutschland.

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