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Einfach nur mit der Zunge schnalzen

Warum Tennis- und Radfans zurzeit besonders auf ihre Rechnung kommen.

Richard Oberndorfer

Der Sport ist die schönste Nebensache der Welt - hieß es einmal. Und in angespannten und kritischen Zeiten nach Corona und aktuell mit Ukraine-Krieg und Preissteigerungen in Sachen Ablenkung so wichtig wie lange nicht.

Es sind nämlich Sportgroßereignisse im Tennis- und Radsport, die uns zurzeit in den Bann ziehen, auch zwischen Genuss und Leiden hin und her pendeln lassen.

Wie beruhigend ist das Plopp der Tennisbälle beim Rasenklassiker in Wimbledon, nur unterbrochen durch das britische Englisch der Schiedsrichter und den sanften Aufruf zur Ruhe "Quiet, please". Das Grün der Plätze mischt sich perfekt mit dem fast unschuldig wirkenden Weiß der Tennisdressen bei Damen und Herren. In Wimbledon immer schon die prägende Vorschrift, an der sich schräge Typen (wie Nick Kyrgios) und bunte Vögel (wie Andre Agassi) die Zähne ausgebissen haben. Vorwiegend Weiß, das ist die Vorgabe über zwei Wochen. Herrlich. Leider ist vieles nicht mehr im freien Fernsehen zu genießen. Wir erinnern uns: Bis in die 90er-Jahre begleiteten die TV-Kommentatoren beispielsweise im ORF die TV-Zuschauer direkt zu den Nachrichten um halb acht.

Die Herren bei der Tour de France der Radprofis zeigen uns in ihrer ersten Woche wieder einmal ihre ausgeprägte Leidensfähigkeit. Die Kameras agieren gnadenlos und blicken tief in die Gesichter von Österreichs Felix Gall und Co., wenn es gilt, die schwierigsten Berge der Welt im unfassbaren Tempo zu erobern. Wir begleiten somit die Radgiganten von heute gleich nach der Mittagszeit in deren übermenschliche Welt. Da werden eigene Trainingseinheiten zu Kindergeburtstagen.

Nelson Mandela hat einmal gesagt: Sport kann die Welt verändern - das mag nicht immer stimmen, aber er hilft zum Durchatmen und verleitet in diesen Tagen Rad- und Tennisfans zum Schnalzen mit der Zunge.

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