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Im Gleichschritt mit Deutschland zur EM

Österreich und Deutschland brauchen ein gesundes Maß an Euphorie. .

Richard Oberndorfer

Die Medien in Österreich und bei unseren Lieblingsnachbarn überschlagen sich in Sachen Fußball schon nach den jüngsten Testspielen. Bei uns wird schon vom "neuen Wunderteam" nach entsprechendem Auftritt gegen die Slowakei und dem Kantersieg gegen die Türkei gesprochen. In Deutschland gibt es vor der Heim-EM eigentlich nur mehr ein Thema: Wer soll das DFB-Team nach erfolgreichen Tests gegen die großen Teams aus Frankreich und den Niederlanden beim Turnier im Sommer schlagen? Ein Sommermärchen wie 2006 in Deutschland scheint möglich, sagen viele.

Blicke zurück sind eher eine Euphoriebremse. Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Vor der EM 2016 in Frankreich war der Jubel um das ÖFB-Team groß. Teamchef Marcel Koller galt als Heilsbringer und Wunderwuzzi, der damals den jungen David Alaba und Co. bei einem großen Turnier weit bringen sollte. Wie es ausgegangen ist, wissen alle heimischen Fußballfans: Österreich scheiterte als Gruppenletzter hinter Ungarn, Island und Portugal. Wobei: Erfolgsteamchef Ralf Rangnick und die Spieler selbst mahnten zuletzt zur Zurückhaltung, wissen aber um ihre Stärken, wie es scheint. Die Einschätzung ist die wahre Kunst im Fußball, ohne vorschnell nach oben zu blicken.

"So ist das Fußballgeschäft", meinte ein Redaktionskollege dieser Tage, "es geht schnell nach oben, aber auch schnell nach unten."

Wie in Deutschland. Wie wurde das DFB-Team in den letzten Jahren nach dem frühen Scheitern bei EM oder WM von der Öffentlichkeit gescholten. Sie wurden noch vor wenigen Monaten Versager, satte Millionäre genannt und als unwürdig angesehen, Deutschland zu vertreten. Nach zwei erfolgreichen Tests gegen Frankreich und die Niederlande - EM-Gruppengegner von Österreich - ist alles anders. Rückkehrer Toni Kroos sorgt für die Ruhe und Sicherheit im Team, die zuletzt schlechten TV-Quoten erreichten Höchstwerte: 10,81 Millionen Fans waren diese Woche live dabei - so viele waren es zuletzt bei einem Deutschland-Match vor fünf Jahren. Der EM-Titel im eigenen Land ist wieder das Thema. "Es ist alles gut und recht, aber für die Tests gibt es keine Punkte", dämpfte Rückkehrer Kroos die Euphorie.

Fußball ist ein verrückter Sport. Im Englischen wird gerne von "zero to hero" gesprochen - oder auch andersherum: vom Helden zum Versager oft sogar in wenigen Momenten. Eine EM ist dafür ein guter Nährboden.

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