SN.AT / Kolumne / Mit Abstand / Mit Abstand

Wenn einem die Jugend keiner glaubt

Ein 16-jähriger rockt die Darts-Welt. Im Sport ist das nichts Ungewöhnliches.

Richard Oberndorfer

Fast respektlos haben die englischen Medien rund um die "Beastie Boys" des Boulevard Luke Littler, seit dieser Woche einer der besten Darts-Spieler der Welt, diesen als vermutlich "ältesten 16-Jährigen der Welt" bezeichnet. Mit einem Bierbauchansatz und mit flaumigem Vollbart hat der Brite die Sportwelt fasziniert. Reflexartig wurde darüber diskutiert, dass Littler, was sein Aussehen betrifft, älter sein muss. Fast wie als Beweis haben viele TV-Stationen ein Bild vor vier Jahren eingeblendet, das den jetzigen Darts-Helden mit Luke Humphries, seinen Bezwinger im WM-Finale am Donnerstag, bei einem Treffen in einem Pub rund um ein Hobbyturnier zeigt. Ein kleiner 12-jähriger Bub steht neben seinem Vorbild. Vier Jahre später hat der Landsmann einen minderjährigen Weltmeister bei seiner Turnierpremiere verhindert.

Warum nur die Zweifel? Die Jugend im Sport hat seit Jahren Einzug gehalten. Gefühlt werden die kommenden Stars sogar immer jünger. Angehende Profis sind begehrt im internationalen Sport: Sie sind hungrig, agil und haben keinen Respekt vor großen Namen, denen sie als Kontrahenten auf einmal gegenüberstehen. Für die Trainer sind die aufstrebenden Sportler ein Glücksfall, weil es noch keine Autoritätsprobleme gibt und sie geschickt in die geplante Richtung gelenkt werden können. So geschehen beim Spanier Gavi oder beim Deutschen Jjamal Musiala, die im ähnlichen Alter wie Dartsspieler Littler die Aufmerksamkeit im internationalen Fußball mit Topleistungen erregten. Inklusive frühen Einsätzen im Nationalteam. Alle haben eines gemeinsam: Sie schauen alle älter aus, als es der Pass ausweist. Wunderkinder werden sie dann in den Schlagzeilen genannt.

Die ersten dieser Art waren wohl in den 70er-Jahren die Turnzwerge - nicht älter als 12 oder 13 Jahre (wenn nicht sogar noch jünger), zumeist aus dem Ostblock oder aus der Großmacht China. Getrieben von der Familie zum Erfolg für ein besseres Leben. Abgestellt in Akademien, dort allein gelassen und ausgesetzt mit Drill. So verglühten viele Talente. Es war und es bleibt eine Gratwanderung im Sport.

Wie geht Dartsaufsteiger Littler mit dem frischen Ruhm um? Sein Marktwert wird ihm in England Millionen bringen, die Werbepartner stehen - nach Medienberichten - schon Schlange. Der 16-Jährige wird sich in dieser Welt der Erwachsenen aber leichter tun: Er ist schon im Pub-Dunst der nächsten Generationen aufgewachsen - vielleicht auch deshalb hat er die renommierten Herren bei der WM in London besiegen können. Trotz Jugend.

KOMMENTARE (0)