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Eine verwirrende Zeitreise zurück in die Sechzigerjahre

Die Krise in und um Venezuela erinnert bedenklich an die schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges.

Viktor Hermann

Die Nachricht war geeignet, einen gedanklich um ein halbes Jahrhundert zurückzuwerfen. Moskau gewährt dem krisengeschüttelten Regime in Venezuela einen Sonderkredit. Damit soll verhindert werden, dass das schwer verschuldete Land demnächst keine Devisen mehr hat, um lebenswichtige Importgüter zu bezahlen. Zur Erinnerung: Venezuela verfügt über die größten Erdölreserven der Welt und hat es dank einer ominösen "bolivarischen" Links politik geschafft, die eigene Bevölkerung ins Elend zu stürzen. Protest lässt Präsident Nico lás Maduro von der Polizei niederknüppeln.

Da ist also kräftiger Rabatz im Hinterhof der USA und US-Präsident Donald Trump hat in seiner bewährt undiplomatisch-dümmlichen Art schon mit einem Militäreinsatz gedroht. Trumps Gegenspieler auf dem Parkett der Weltpolitik, Wladimir Putin, springt Maduro bei. Wetten, die russische Hilfe wird gerade so viel sein, dass sich das Regime Maduro knapp über Wasser halten kann, ohne die Lebenssituation der Venezolaner tatsächlich zu verbessern? Der Krisenherd Venezuela bleibt also am Kochen und ein Dorn im Fleisch der USA.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang die Reaktion so mancher Europäer. Wir erinnern uns: Maduro hat, um die Opposition zu knebeln, das rechtmäßig gewählte Parlament entmachtet, in einem vermutlich manipulierten Referendum eine verfassunggebende Versammlung wählen lassen und jede weitere oppositionelle Regung mit Gewalt unterdrückt.

Was sagt der Chef der britischen Labour-Partei, Jeremy Corbin? Er verurteilt die "Gewalt von allen Seiten", kann sich aber nicht durchringen, Maduro zur Mäßigung aufzurufen. Was schreiben die Sprachrohre der deutschen Linkspartei? Die Opposition in Venezuela sei der wahre Schuldige - und selbstverständlich auch Washington. Maduros Prügelpolizisten seien "Kräfte der Vernunft und des Friedens".

Seltsam, als US-Präsident Donald Trump nach den Ausschreitungen von Charlottesville die "Gewalt auf vielen Seiten" sah, haben dieselben Leute völlig zu Recht lautstark protestiert. Wenn aber die Gewalt von einem ihrer "Helden" ausgeht, dann wird die Schuld entweder gleichmäßig auf alle verteilt oder gleich völlig umgekehrt. Das erinnert fatal an die Zeiten des Kalten Krieges, als konservative Politiker in Europa blutige Diktatoren wie Pinochet in Chile und Stroessner in Paraguay lobten, weil sie ja den Weltkommunismus aufhielten, und linke Politiker in Europa totalitäre kommunistische Regime priesen, weil sie ja gegen den US-Imperialismus kämpften.

Man hätte gern geglaubt, dass wir aus der Geschichte etwas gelernt haben. Stattdessen, so scheint es, wiederholen wir ihre Fehleinschätzungen.

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