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Wenn die Kaffeetasse in den eigenen Händen zu klappern beginnt

Los Angeles steht ein enormes, zerstörerisches Beben bevor, es ist statistisch längst überfällig. Was könnte man dagegen tun?

Kathrin Pilz

Nichts bringt einen am Montagmorgen schneller auf Touren als ein kleines Erdbeben, dessen Epizentrum sich in unmittelbarer Nähe befindet. Vor wenigen Wochen, am Sankt-Patricks-Tag, setzte sich um 6.25 Uhr das Geschirr in meiner Küche in Bewegung. Das überraschend laute Klappern währte nur wenige Sekunden - danach klapperte nur noch die Kaffeetasse in meinen zitternden Händen. Ich stellte sie ab. Koffein war ohnehin überflüssig geworden, Adrenalin pulsierte bereits auf Hochtouren durch meine Adern.

Mein erster Gedanke waren die Kinder, die vom Erdbeben ebenfalls aus den Betten geworfen wurden. Zu dritt flüchteten wir unter den Türstock meines Schlafzimmers. Man weiß schließlich nie, ob es ein Vorbeben ist und das wirklich große Beben erst kommt.

Mein Mann sah alles entspannter und meinte nur, er hätte noch nie gehört, dass man unter einem Türstock sicher sei. Anstatt einem Plan zu folgen, begannen wir zu diskutieren, was im Falle eines Bebens tatsächlich zu tun sei. Unter einen Tisch kriechen? Im Bett bleiben, mit einem Polster über den Kopf? Oder, was unsere sechsjährige Tochter in der Schule gelernt hatte: Stop, Drop, Cover and Hold. . . Also sich an Ort und Stelle zu Boden zu werfen und unter einen Tisch kriechen. Nach wenigen Minuten gaben wir unseren "sicheren" Platz auf. Nach kurzem Googeln musste ich realisieren, dass eine Flucht unter den Türstock tatsächlich eine veraltete Methode ist.

Eines wurde mir klar: Nach 20 Jahren Los Angeles waren wir immer noch nicht auf den Ernstfall vorbereitet, und das, obwohl wir ununterbrochen hören, dass "The Big One" - also ein gewaltiges, zerstörerisches Beben in L. A. unausweichlich und längst überfällig sei.

Zwar haben wir mittlerweile Taschenlampen, Wasser und Konservendosen gelagert, aber wir haben keinen Plan, wo und wie sich die Familie im Falle einer Katastrophe wiederfinden sollte, wenn Handys nicht funktionieren und die Straßen unbefahrbar sind. Warum bereite ich mich nicht schon jetzt darauf vor, wie es jeder verantwortliche Mensch mit zwei Kindern tun würde? Vermutlich, weil ich wegziehen müsste, wenn ich genau hinschauen würde wo sich L. A. geografisch befindet.

Im Osten liegt die Mojave Wüste, im Westen der Ozean und unter der Stadt selbst befinden sich endlose geologische Faltenwürfe. Feuer, Tsunamis und Beben drohen ständig unablässig. Leichtsinnig, eine Stadt hier zu errichten, und noch leichtsinniger hier herzuziehen. Doch L. A. ist voll von leichtsinnigen Träumern aus aller Welt. Und genau das macht den unwiderstehlichen Charme dieser Stadt aus.

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