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Putins Visionen: Der entsetzte Blick zurück auf Sotschi 2014

Ein Friedensfest wurde vor zehn Jahren die Startrampe für grausame Pläne.

Richard Oberndorfer

Die Sportwelt darf dieser Tage mit Grausen an die Olympischen Winterspiele 2014 im russischen Sotschi zurückdenken. Die sonst gerne genannten unpolitischen Spiele mit dem Anstrich eines sportlichen Friedensfestes wurden vor zehn Jahren erstmals Bühne für eine Tatsache, die niemals für möglich gehalten wurde: Krieg und Olympia waren unmittelbar miteinander verwoben. Denn wenige Tage nach dem Ende der Showspiele von Russlands Wladimir Putin startete dieser den Feldzug gegen die Ukraine und annektierte die Halbinsel Krim. Zuvor hatte der Aggressor den Sport für seine Stellung in der Welt genützt. Olympia in Sotschi 2014, das mit harter Hand und Gewalt fast bis zur Perfektion umgesetzt wurde, musste deshalb zum Prestigeprojekt Putins werden. Es sollten mit 51 Milliarden US-Dollar die teuersten Spiele aller Zeiten werden, inklusive vieler Grauslichkeiten und Demütigungen gegen die Bürger in der Region am Schwarzen Meer.

Fast zynisch wirkt dieser Tage ein Fest zehn Jahre danach, das die Bevölkerung in und um Sotschi feiern musste. Festgehalten in der sehenswerten ARD-Dokumentation "Olympias dunkles Erbe". Alles genauso politisch inszeniert wie die Spiele von Sotschi 2014. Hochgejubelt ist noch immer jene Medaillenbilanz, die russische Athletinnen und Athleten schafften - Russland war die Nation Nummer eins mit 30 Medaillen, darunter elf Mal Gold. Das musste so sein, denn Gewinnen und Sieg, diese Begriffe stehen bei Putin ganz weit oben im Vokabular. Die Mittel dazu wurden wenig später bekannt: Das staatlich organisierte Doping hatte in Russland die Basis für die Erfolge gelegt. Ganz aufgearbeitet ist der Skandal bis heute nicht. Was nicht sein darf, kann nicht sein, ist sicher im Sinne der Olympia-Verantwortlichen. Sie hatten 2007 in Guatemala Sotschi zur Olympiastadt 2014 auserkoren. Olympiabewerber Salzburg war übrigens gegen die russische Dominanz schnell gescheitert. Und schon damals war der russische Staatslenker Wladimir Putin eigens eingeflogen und hatte in einer seiner seltenen englischen Reden launig die Welt eingeladen.

Das Internationale Olympische Komitee hatte aus den Erfahrungen rund um Sotschi nicht viel gelernt. Die Vergabe der Winterspiele an Peking 2022 war wieder Startrampe für grausame Pläne von Putin, wie sich später herausstellen sollte: Vier Tage nach dem Ende der Spiele beim russischen Freund in China - die Friedensflamme war am 24. Februar noch nicht einmal richtig abgekühlt - begann der russische Angriff auf die Ukraine. Grausame Parallelen zu 2014.

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