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Der Fall Mayer zeigt die Lücken im System

Bekommen Leistungssportler in Krisenzeiten genügend Hilfe?

Richard Oberndorfer

Es ist eine Situation, die versteckt vor sich hin schwelt: Spitzensportler fühlen sich oft mit ihren Problemen alleingelassen. Dann genügt nur ein kleiner Funke oder ein Anlass, dass das ganze System eines Aktiven aus den Fugen gerät. Wie zuletzt der tragische Fall um Matthias Mayer in Kitzbühel gezeigt hat.

Der Druck von außen ist heutzutage enorm geworden. Die Öffentlichkeit, die Medien inklusive der sozialen Netzwerke, aber auch die Sponsoren verlangen viel - teilweise fast Unerfüllbares. Scheinfreunde und viele Besserwisser tragen das Ihre dazu bei.

Wer fängt die Leistungssportler auf? Wolfgang Preinsperger, im Vorstand der 2020 gegründeten österreichischen Gesellschaft für Sportpsychotherapie und Sportpsychiatrie, hat im Interview für die diesjährige Leonidas-Beilage ein angespanntes Bild gezeichnet. Es fehle an Fachkräften in diesem Bereich. Von flächendeckender Betreuung im Sport könne keine Rede sein. "Es braucht einfach mehr Sportpsychotherapeuten", so der angesehene Sportpsychotherapeut und Suchtforscher Preinsperger.

Nur keine Schwäche zeigen heißt und hieß es im Sport. Athletinnen und Athleten sind ja Vorzeigeprodukte in einer Leistungsgesellschaft. Diese Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen muss ein Ende haben. Spätestens seit dem Fall des Fußballers Robert Enke, der sich 2009 das Leben genommen hat, ist die Szene hellhöriger geworden. Die Strukturen für Betreuungen hinken offensichtlich noch hinterher. Dabei scheint der Bedarf immer größer zu werden, weil der Leistungssport in vielen Bereichen früher beginnt. Schon mit zwölf oder dreizehn Jahren werden die jungen Hoffnungsträger dem Elternhaus entrissen, dann oft in Akademien und Sportinternaten - jüngst in der ORF-Serie "School of Champions" thematisiert - alleingelassen und den Mechanismen des Spitzensports ausgesetzt. Gerade bei jungen Talenten ein Problem, weil die psychische Entwicklung hier bei Weitem noch nicht abgeschlossen ist, wissen Experten. Der Fall Mayer hat damit zusätzlich aufgezeigt: Es ist noch viel zu tun.

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