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Die Muttermorphose - unbotmäßige Gedanken zum Muttertag

Bekomme Kinder, haben sie gesagt. Du wirst es lieben, haben sie gesagt. Jetzt, nach zehn Jahren kann ich sagen: Stand der Dinge - Augenringe.

Ich mag Filzherzen mit Kleberesten. Ich liebe im Singsang runtergeleierte Muttertagsgedichte. Und Briefe mit dramatisch sinnstörenden Rechtschreibfehlern. Und ich stehe total auf angebrannte Eierspeise und durchaus unvorteilhafte Buntstiftporträts.
Ich mag Filzherzen mit Kleberesten. Ich liebe im Singsang runtergeleierte Muttertagsgedichte. Und Briefe mit dramatisch sinnstörenden Rechtschreibfehlern. Und ich stehe total auf angebrannte Eierspeise und durchaus unvorteilhafte Buntstiftporträts.

Zugegeben, so kurz nach der Geburt war alles halb so schlimm: Als Neo-Eltern hat man diesen hauseigenen Hormoncocktail, den übermüdete Bank-Manager nur durch illegale Drogen erreichen. Und man hat diesen Jungeltern-Stolz an sich: Wie kleine Orden schleppt man seine Augenringe durch den Tag - immerhin sind sie Zeichen, dass man jetzt in einem exklusiven Club aufgenommen wurde. Eintrittskarte ist das Durchtrennen der Nabelschnur - Austreten ist nicht vorgesehen.

Irgendwann kommt es richtig dick!

Die Magie der ersten Monate ist irgendwann dahin. Dafür kommt der Schlafentzug, der ja in sympathischen Diktaturen gern als Folter angewendet wird. Der größte Wunsch ist nicht Bei-, sondern Tiefschlaf. Und: Die ganz harte Realität beginnt, wenn die Zähne kommen. Die bohren sich nämlich erst durch das Zahnfleisch des Kindes, hierauf aber durch die Nerven der Eltern. Und dann - Vorsicht, Spoiler! Es wird nicht besser. Es wird nur anders.
Wenn die lieben Kleinen erst einmal mobil sind, fängt erst das eigentliche Drama an: Mütter meines Alters haben einen völlig anderen Blick auf jene einst putzigen Häschen aus der Batterie-Werbung. Nun wissen wir: Genau so sind Kinder. Sie stehen unter Strom, sie laufen und laufen. Und: Sie bekommen irgendwann unweigerlich selbst ihre Zimmertür auf, trappeln den Flur entlang und legen sich ungefragt ins Ehebett. Quer. Oder sie strecken ihre kleinen Eiszehen auf deinen Oberschenkel und klauen dir mit treuherzigem Blick die Decke. Manchmal singen sie einfach in der Nacht. Oder sie wollen, dass du singst. Was davon schlimmer ist, ist Geschmackssache.

Irgendwann kommt es richtig dick: Schule. Da treffen Welten aufeinander. Erziehungsstile und Lebensideologien. Die Kinder kommen mit Wörtern nach Hause, die rustikaler aufgezogenen Erwachsenen beim Autofahren (oder beim Sex) vielleicht rausrutschen, aber am Esstisch befremdlich wirken. Und schließlich endet alles in der elterlichen Trotzphase. Das Kind sagt, von Selbstmitleid geplagt: "Alle in der Klasse haben ein Handy, nur ich nicht." Darauf die Eltern: "Mimimimimiiiiii! Ich will aber nicht!" Spätestens jetzt kommen die argumentativen Klassiker der Erziehung: "Wenn alle von der Brücke springen, dann …"

Muttertage: Mehr als verdient

Und dann kommt ein Mal im Jahr das Fest der Feste, der Muttertag. Vielerorts als Kommerzveranstaltung verpönt. Als Erfindung der Blumenhändler denunziert, die nach Absatz gieren. Gescholten als kapitalistische Überhöhung des Mutterseins. Aber ganz ehrlich: Ich stehe drauf! Weil ich habe mir das mehr als verdient. Ich mag Filzherzen mit Kleberesten. Ich liebe im Singsang runtergeleierte Muttertagsgedichte. Und Briefe mit dramatisch sinnstörenden Rechtschreibfehlern. Und ich stehe total auf angebrannte Eierspeise und durchaus unvorteilhafte Buntstiftporträts.

Über die eigenen Grenzen gehen

Wie beschrieben ist die Elternschaft mitunter kein Honiglecken. Jedoch, man lernt dabei sehr viel. Über das Leben, die Menschheit an sich, Geschlechtergerechtigkeit, Fairness - und natürlich, das lässt sich nicht vermeiden, über sich selbst. Eltern sind, sofern sie überlebt haben, Meister der Flexibilität und Profis der Situationselastik. Wissen, dass das Leben nicht planbar ist. Und dass sie öfter Nudeln essen können, als sie das jemals gedacht hätten.

Wir lernen, dass man über die eigenen Grenzen gehen kann, dass Liebe eine unglaubliche Kraft ist und auch Kraft gibt, und was wirklich wichtig ist. Wer schon einmal ein hoch fieberndes Kind im Arm gehalten hat, weiß, wie wurscht ein Kratzer im Auto ist oder eines dieser Meetings, für die ein E-Mail auch gereicht hätte. Man lernt, dass man Schlafen auch als gelegentliches Hobby begreifen kann. Und dass ein ehrliches Küsschen, auch wenn etwas feucht, weit mehr Wert hat als alles Lob vom Chef. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis ist: Wir sind vielerorts ersetzbar, aber nicht in der Familie. Dort sind wir Trostspenderinnen, Anker, Ansprechpartnerinnen für Nöte und Sorgen, Krankenpflegerinnen, Managerinnen. Wir werden geküsst und geherzt, geliebt und am Muttertag eben auch einmal geehrt.

Nach ausdauerndem Konsum von "Peppa Wutz", "Paw Patrol", "Superman", "Batman" und den "PJ Masks" bin ich überzeugt, dass die wahren Superheldinnen wir Mütter sind. Wir sind unsere Erziehung, unsere Werte, Sprüche, Weis- und Eigenheiten, und damit: unsterblich. Allen Mit-Müttern wünsche ich einen klebrigen, verbrannten und unglaublich schönen Muttertag.

Christina Tropper betreibt Österreichs erfolgreichsten Elternblog einerschreitimmer.com und schreibt dort über ihr Leben mit Kindern.